Das Künstlerpaar Maja Wirkus und Eric Pries setzt sich seit einigen Jahren intensiv mit der Architektur der hierzulande wenig bekannten Moderne in den europäischen Peripherien auseinander. Die Künstler interessiert dabei die darin festgehaltenen Erzählungen und Erfahrungen als Grundlage für die Ergänzung eines zumeist euroamerikanisch geprägten Architekturdiskurses, der noch immer weite Teile des mittel- und osteuropäischen Einflusses auf die gemeinsame Kulturgeschichte ausspart. So entstehen Rechercheprojekte, die in raumbezogenen Installationen eigene Arbeit den in Archiven gewonnenen Einblicken gegenüberstellen. Die Ausstellung We Are Millennium Stars sowie die gleichnamige Künstlerpublikation beschäftigen sich mit Aspekten der Ökonomie von Netzwerken und der politischen Dimension von Freundschaft. Inspirationsort der titelgebenden Textarbeit ist ein Haus am Fluss: Serock, Rybaki 2, südlich von Warschau, direkt am Narew gelegen. Es handelt sich um das Wochenendhaus des Architektenpaares Syrkus. We Are Millennium Stars beruht auf der von dort in alle Welt gehenden Korrespondenz von Helena Syrkus mit dem weltumspannenden Netzwerk der internationalen Moderne, die WIRKUSPRIES während ihrer künstlerischen Forschungsarbeit erstmals recherchieren konnten. In ihr überschreiben sich als private biografische Erinnerung die Ereignisse der 1920er und 1930er Jahre, die Zeit des Zweiten Weltkriegs und die der Blockbildung danach. WIRKUSPRIES übersetzen die Brüche und Lücken in der sich entfaltenden Erzählung in eine poetische Textcollage. Der Text verknüpft die historischen Zeitläufte mit den Briefen der Protagonist*innen und anderen Einflüssen, die die Prozesse der künstlerischen Arbeit begleitet haben. So überlagern sich konkrete Wissensräume und verweisen auf die permanente Gleichzeitigkeit von Gegensätzlichem. Konkret wird die Überlagerung in der im Untertitel bereits auf den gelenkten Blick verweisende Installation Ohne Titel (Wzrok). Die Fotografien zeigen modernistische Architekturen in Warschau, die alle hinter dichtem Bewuchs verborgen sind. Diese Bilder reflektieren einerseits unmittelbar die mangelnde Präsenz selbst bedeutender osteuropäischer Architekt*innen und Stadtplaner*innen und verweisen gleichzeitig auf die hochaktuelle Diskussion einer klimapolitisch notwendigen Veränderung von Stadtarchitektur und -grün, die bereits in den Ideen der Moderne angelegt war. Erweitert wird die Ausstellung durch eine Reihe Stop-Motion-Filme, an denen WIRKUSPRIES kontinuierlich arbeiten. Die Filme basieren auf Collagen, Architekturfragmenten und Papierobjekten, die während ihrer Recherchen und künstlerischen Prozessen entstehen. Auswahl und Überformung der einzelnen Objekte ist dabei stets bedingt durch die jeweilige Fragestellung. Das sind beispielsweise Fragen nach dem Verhältnis von Wirklichkeit und Abbild in der Architekturfotografie, der Transformation von Informationen in Kopierprozessen, der Aneignung von Architektur und dessen Umwertung oder auch der Frage nach Leerstellen – Informationslücken – in Archiven und anderenorts und deren Potential für künstlerische Eingriffe.